Kürzlich saß ich wieder einmal vor Linkedin, scrollte den Newsfeed durch und landete bei einem Post des Bundesministeriums für Gesundheit über die Sicherheit der Coronaschutzimpfung. Ich begann in den Kommentaren zu lesen, wie die Social-Media-Ärzte-Kommission diese doch recht plakative Impfwerbung bewertet.
Und plötzlich sind wir alle Arzt…

Ein Medizinstudium ist kein Spaß. Das wurde mir zumindest immer so vermittelt. Man braucht einen überdurchschnittlich guten Notenschnitt, muss viel lernen, viel Zeit investieren. Dann darf man sich irgendwann das “Dr. med.” in den Lebenslauf schreiben. Und dann darf man auch irgendwann Menschen mit seinem Expertenwissen behandeln.
In der Coronapandemie geht das Medizinstudium offenbar schneller. Denn plötzlich treten tausende von Experten auf. Alle scheinen sie, zusätzlich zu ihrem Vollzeit-Job versteht sich, in den vergangenen Monaten im Eilverfahren ein Studium mit Schwerpunkt Virologie absolviert zu haben. Ziemlich beeindruckend! Da es nun gar nicht genug Talkshows für all die frisch gebackenen Ärzte gibt, verbreiten sie ihre Ratschläge eben über die sozialen Netzwerke. Ist ja auch viel praktischer und auch für den Otto Normalverbraucher eine richtig tolle Sache. Nicht…
Und um das hier gleich einmal festzuhalten, bevor die große Diskussion losgeht: diese neuartige Entwicklung umfasst beide Seiten. Geimpfte wie Ungeimpfte und alles dazwischen. Hier ist keine Seite „die Gute“!
Letztens auf Linkedin…
So saß ich kürzlich wieder einmal vor Linkedin, scrollte den Newsfeed durch und landete bei einem Post des Bundesministeriums für Gesundheit über die Sicherheit der Coronaschutzimpfung. Darunter 119 (mittlerweile vermutlich mehr) Kommentare. Ich begann zu lesen, wie die Social-Media-Ärzte-Kommission diese doch recht plakative Impfwerbung bewertet.
Wie erwartet, traf ich all jene Doktoren an, von denen ich vorher gesprochen habe. Das Expertengremium zur Einordnung dieses Posts bestand unter anderem aus einem Glasfaserexperten, einem NLP-Coach, einem Datenschutzbeauftragten, einem nicht näher definierten Teamleiter, einem Software Engineer, einem Strategie-Coach für den Mittelstand, einer Dame, die „Lösungen für Immobilien“ anbietet, einem Privatier, einem Direktor in einem Unternehmen für Schweißtechnik und noch einigen weiteren Corona-Botschaftern, die offenbar nur noch auf ihre Promotionsurkunde warten. Und die zeitgleich übrigens auch noch politisch aktiv zu sein scheinen.
Ich lese also „Fach“-Kommentare in Zusammenhang mit einer Berufsbezeichnung, die eigentlich in eine ganz andere Richtung geht und frage mich, wie sich diese Menschen in diesen Positionen anmaßen können, eine fachmedizinische Bewertung abzugeben. Ungeniert und ganz öffentlich. Da ist kein „meiner Meinung nach“ oder „in meinen Augen“ zu lesen. Das IST alles so, wie es eben dasteht! Teilweise wird sogar noch die ein oder andere Beleidugung für die anderen „Gesprächsteilnehmer“ angehängt.
Ich vertraue nur mir!
Die Coronapandemie und all die kontroversen und irreführenden – und seien wir ehrlich, chaotischen – Informationen drum herum, haben unsere Gesellschaft in ein Netz aus Misstrauen in Gott und die Welt gewoben. Die einzige vertrauenswürdige Quelle scheint man selbst. Also muss man eben selbst zum Experten werden. Und dann beginnt man zu lesen. Ein Artikel, ein zweiter, ein weiterführender Link, noch einer. Googeln nach einem ungekannten Begriff, einer Plattform, die in einem anderen Artikel genannt wurde. Plötzlich hat man Studien und Zahlen vor sich, die erschreckend sind und die man dann in sein Bild als IST-Zustand einordnet. Und weil man ja jetzt so viel gelesen hat, hat man natürlich auch Wissen und kann mitdiskutieren – meint man.
Ich bin mir sicher, dass es den Menschen, der nicht versucht sich zu informieren, nicht gibt. Dazu hat das Thema einfach eine zu große Tragweite und zu viel Einfluss auf unser normales Leben. Das ist auch gut! Informieren ist gut!
Wer? Wie? Wo? Was? Hä!
Es gibt dabei aber gleich mehrere Probleme. Es geht hier um Medizin und Medizin ist einfach komplex und kein 0815-Thema für den Stammtisch. Viel lesen, heißt noch lange nicht, dass man das nötige Hintergrundwissen hat, um die erhaltenen Informationen einordnen zu können. Eine Online-Nachrichten-Quelle heranzuziehen und zu verlinken, ist kein wissenschaftlicher Beweis für etwas. Sich nackte Zahlen anzuschauen, bedeutet nicht, dass man sie in die nötige Relation setzen kann. Ein Nicht-Mediziner, der niemals in einem Labor Proben sequenziert hat, dem fehlt eine wichtige Erfahrungskomponente. Bei der Beschreibung medizinischer Vorgänge ist das Wording extrem wichtig. Ein Laienpublikum versteht aber die feinen Nuancen zwischen Gen-Therapie und genbasiertem Impfstoff nicht. Die Fähigkeit zu lesen und ein Besuch im Biologie-Unterricht reichen leider nicht aus, um „vom Fach“ zu sein.
Das ist absolut nichts Verwerfliches, deshalb gibt es ja Experten, auf deren Rat und Können wir bauen. Wir rufen ja beispielswiese auch nicht beim Schweißer an, wenn wir einen rechtlichen Beistand benötigen. Wir würden auch keinen Arzt zurate ziehen, wenn wir ein technisches Problem mit einer Programmierung haben. Oder?
Und klar, wenn ich mehrere Mediziner zurate ziehe, werde ich auch unterschiedliche Meinungen bekommen. Aber sie basieren zumindest alle auf einem Fachwissen, dass wir Nicht-Mediziner einfach nicht haben.
Lügenpresse, Lügenbold und Hypochonder
Also warum wird in den Posts grundsätzlich jedem Gesicht, das in den Medien zu Wort kommt und versucht Sachverhalte von der wirklichen Expertensicht aus zu schildern, seine Kompetenz abgesprochen? Da wird in einem Post einem Zellbiologen (!) erzählt, wie er Laborwerte zu lesen hat. Und wenn dieser versucht, mit seinem Wissen aufzuklären, wird ihm der Lügen- und Narrativ-Stempel aufs Profil gedrückt. Wie kann man sich im Gegenzug anmaßen, als offizieller Nicht-Mediziner, einen medizinischen Eingriff, der sehr wohl Nebenwirkungen hat, so zu verharmlosen, dass man jeden, der Bedenken äußert und Fragen stellt, pauschal als Querdenker und Schwurbler brandmarkt?
Ich hätte so gerne schon so viele Posts kommentiert, habe es aber dann doch bis auf wenige Ausnahmen gelassen. Ich habe meine Kompetenzen woanders. Ich schreibe Texte. Das habe ich gelernt, da habe ich Expertenwissen. Und die Einschätzung medizinischer Begebenheiten, überlasse ich meinem Arzt oder Apotheker.