Ich drehe einen Film in meinem Kopf… und du bist auf der Besetzungsliste. Ich habe auch schon das perfekte weibliche Gegenstück besetzt: Mich!
Kopfkino

Ich drehe einen Film in meinem Kopf und du bist auf der Besetzungsliste. Du bist nicht nur irgendwo darauf verzeichnet, nein, du kommst ganz an erster Stelle. Du bist der Hauptdarsteller, um den sich die ganze Geschichte rankt.
Du bist darin perfekt. Perfektes Aussehen, perfekte Ausstrahlung, perfektes Auftreten. Du sagst die perfekten Sachen – natürlich tust du das, denn das Drehbuch stammt von mir. Du bist die rundum perfekte Besetzung.
Du weißt nur noch nichts von deinem Glück. Ich habe dich schließlich heimlich gecastet. Du glaubst bisher noch, dass du ein Statist bist, der nur am Rande des Wahnsinns vorkommt. Du bist so süß naiv. Von meinen Plänen für dich weißt du noch gar nichts. Ach, ich muss ein klein wenig Kichern, wenn ich daran denke.
Am liebsten würde ich dir erzählen, dass ich auch schon das perfekte weibliche Gegenstück für dich besetzt habe – mich!
Das Drehbuch beginnt ganz unschuldig. Mit einem Blick und einem Lächeln. Ich falle dir auf und du bist Hals über Kopf in mich verliebt und stehst am nächsten Tag mit Rosen vor meiner Tür. Klar das ist ein bisschen klischeehaft, aber hey, das ist ein Film.
Dann geht übrigens alles sehr schnell. Du machst mir einen Heiratsantrag auf dem Eifelturm in Paris, wir feiern Hochzeit – ich in einem weißen Prinzessinnenkleid – und du flüsterst mir am Altar zu, dass ich deine Traumfrau bin. Ein paar Tage später erzähle ich dir, dass ich schwanger bin. Wir streichen gemeinsam ein Kinderzimmer, bauen Bettchen auf und halten neun Monate später unsere wunderschöne Tochter in den Armen. Noch immer sind wir so verliebt wie am ersten Tag, gestritten haben wir nie. Alles natürlich ein bisschen optional.
Und dann sitzen wir auch schon auf der Veranda unseres kleinen Häuschens, du rauchst Pfeife, ich stricke. Wir sind alt und glücklich. Die Sonne geht unter und du sagst mir, dass ich das Beste bin, das dir in deinem Leben je passiert ist. Der Abspann läuft, im Hintergrund säuselt leise Musik.
Glaubst du, du kriegst das hin? Dass wir dieses Drehbuch spielen, meine ich?
Dazu müsste ich es dir vielleicht erst einmal zeigen. Ich habe das Band in meinem Kopf schon wieder viel zu weit vorgespult. Es tut mir leid. Ich sollte bei Null anfangen, mich vorstellen.
Das Problem ist: Du kennst mich ja schon und ich kenne dich ja schon. Das trübt meine Fantasie ein bisschen, weil du schon den einen oder anderen Kratzer in meine zartrosa Leinwand gemacht hast.
Ich habe versucht dich häppchenweise an meinen Film heranzuführen. Doch ihn dir ganz zu zeigen, das erfordert Mut. Mein Mut reicht aber nicht einmal dazu aus, um dir zu sagen, dass ich dich mag.
Und dein Interesse an mir reicht nicht dafür aus, um dich am Set durchzubeißen. Da prallen zwei Projektionen von Glück aufeinander, die sich nicht vereinen lassen.
Und nachdem ich mir mein Drehbuch noch einmal durchgelesen habe, muss ich sagen, dass es schade ist, dass du nur zu den ersten Drehtagen erschienen und dann einfach untergetaucht bist. Denn das Drehbuch ist gut!
Ich nehme mir eine Schere und schneide dein Gesicht aus all den Fotos, die ich in meinem Kopf von unserer Zukunft geschossen habe. Irgendwann werde ich das Gesicht gegen jemanden austauschen, der das Drehbuch mit mir zusammen neu schreibt und der ganz heiß auf die Hauptrolle ist.