Prolog “Die Wolfsmörderin” : Ein kleines Dorf – Jeder kennt jeden, abgeschnitten von der Außenwelt. Was passiert, wenn diese Idylle durch Mord gestört wird?
Prolog
Pochend schlugen die Pfoten des Wolfes auf der Erde auf. Flogen über Gras und Blätter, brachen knackend Zweige und waren trotzdem kaum zu hören, so sanft und gleichmäßig war ihr Rhythmus. Er war auf dem Weg zum Weiher, um Wasser zu trinken. Elixier des Lebens. Es stärkt die Sinne, ölt die Kehle und kühlt die Gedanken.
Nur ein Schatten war der Wolf im Unterholz. Er wand sich um die Bäume, ungeachtet, ungesehen, ungehört.
Es war durstig, das Tier, der Durst spiegelte sich in seinen Augen, es lief schneller.
Jedes Lebewesen braucht Wasser, auch der Wolf. Nur immer schneller, schneller ans Ziel.
Es regnete.
Ja, es regnete, und der Wolf lebte sein Leben, lief, aß und trank. So auch heute Nacht, in der sich eine Mondsichel durch die Äste schlich und der Herbstwind das letzte Laub auf den Bäumen erzittern ließ.
Dann endlich kam er auf die Lichtung. Er verlangsamte seine Schritte und trat ans Ufer. Gierig senkte er den Kopf. Vielleicht etwas vorschnell, sonst hätte er die schwarze Gestalt auf der anderen Seeseite bemerkt. Hätte seine Ohren aufgestellt und wäre dann vermutlich davongelaufen. Aber so zog er es vor, den Kopf ganz zu beugen. Nur Sekunden später rann das Wasser seine Kehle hinab, und er spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten.
Er hob den Kopf, streckte den Oberkörper gen’ Himmel und ließ ein Heulen ertönen, das einem das Blut in den Adern gefror.
Es waren die letzten Schlucke, die der Wolf in seinem Leben trank, bevor das Messer seinen Hals traf.